Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz und Erinnerungsprojekt für die Lübecker jüdischen Geschwister Hanna und Hermann Mecklenburg.

 

Ein Kooperationsprojekt des Ostsee-Gymnasiums Timmendorfer Strand und der Cesar-Klein-Schule Ratekau.

 

Tag 4 Freitag, 17.09.2021

Am Freitag, dem 17. September 2021, haben wir das Stammlager Auschwitz l besucht. Unser Tag begann damit, dass unser Guide Roland Vossebrecker uns einiges über Auschwitz allgemein und mit besonderem Fokus auf das Stammlager Auschwitz I erzählt hat. Auschwitz I wurde auf dem Gelände einer ehemaligen polnischen Kaserne errichtet. Die roten Backsteingebäude der ehemaligen Kaserne wurden von den Nazis übernommen und weiter ausgebaut. Dabei wurde vor allem deutlich, dass vor allem Auschwitz-Birkenau (Auschwitz II) kein fertig erbautes Lager war, sondern ein Lagerkomplex, den die Häftlinge selbst erbaut haben, während der gesamten Zeit in ihrer Gefangenschaft. Es war eine endlose Baustelle, welche sich ständig weiterentwickelte. Roland las uns ein Zitat von Oskar Gröning, dem ehemaligen Buchhalter von Auschwitz, vor, in dem er sagt, dass „Auschwitz und seine Umgebung […] eine Kleinstadt mit Jubel, Trubel, Heiterkeit [war]“. Die Umgebung um Auschwitz sollte eine deutsche Musterstadt werden, die „von Deutschen gebaut, von Polen verschmutzt und von Juden geschändet“ worden war.
Wir näherten uns Auschwitz, indem wir zunächst die vergessenen Orte um Auschwitz herum besucht haben. So fuhren wir nach Harmeze, ein kleines Dorf unweit von Oświecim. Dort war eine landwirtschaftliche Versuchsstation gewesen. Roland erzählte uns, wie die Gefangenen hier gequält wurden. Es gab dort Fischteiche, die von den Gefangenen gereinigt werden mussten, das Schilf musste beschnitten werden, die Gefangenen mussten beispielsweise den ganzen Tag mit den Füßen im Wasser arbeiten, die Häftlingskleidung musste am Rand ausgezogen werden, wenn es regnete wurde die Kleidung nass, darauf nahm niemand Rücksicht. Wir standen – während wir Roland zuhörten – ebenfalls im Regen, nicht alle von uns hatten einen Regenschirm dabei, wir froren, wie muss es aber gewesen sein, Stunden im kalten Wasser zu arbeiten und dann völlig erschöpft und durchgefroren in nasse Kleidung steigen zu müssen.
Roland zeigte uns das Haus 7, ein Frauenhaus für die Freundinnen und Ehefrauen der SS-Wachen, dieses Haus befand sich außerhalb des Stammlagers. Wir sahen Überreste der Kruppfabrik, wo die Häftlinge arbeiten mussten – heute eine Industrieruine. Wir sahen das Wohnhaus des Architekten Bischof – ein bürgerliches Haus am Rand des Schreckens.

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Und wir sahen den Block 1, in dem gynäkologische Versuche an jüdischen Frauen durchgeführt wurden, es handelte sich dabei um Versuche zur Unfruchtbarkeitsmachung. Heute befindet sich in diesem Gebäude eine christliche Kirche, was für uns alle sehr befremdlich war.
Nach dem Mittagessen sind wir dann zum Stammlager Auschwitz I gefahren, welches nur ungefähr fünf Minuten Busfahrzeit von der Jugendbegegnungsstätte Oświecim entfernt war. Wir durchschritten als erstes das Schild „Arbeit macht frei“, das in jedem Geschichtsbuch zu finden ist, und erhielten unseren ersten persönlich Eindruck von dem Lager, in dem so viele so grausame Taten geschehen sind, die gar nicht in Worte zu fassen sind. Der Ort wirkte gespenstisch, da es sehr ruhig war. Im Lager angekommen haben wir unsere Guide Gabriela getroffen, die uns durch das Lager geführt hat.
Dabei wurde deutlich, dass Auschwitz eine Gedenkstätte der Überreste ist, hier werden die Dinge aufbewahrt, die die Rote Armee am Tage der Befreiung gefunden hat. Das Stammlager ist heute ein Museum.

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– Gabriela berichtete, dass verzweifelte Häftlinge „in den Draht gegangen“ sind, was bedeutet, dass sie sich, wenn sie völlig verzweifelt waren, gegen den Hochspannungszaun geworfen haben und so durch einen tödlichen Stromschlag der Zäune oder eines abgefeuerten Schusses eines SS-Mannes ums Leben gekommen sind.
– Diese Verzweiflung wurde uns erst richtig bewusst, nachdem wir eine alte Baracke im Stammlager betreten haben, die im Originalzustand (natürlich gereinigt) belassen wurde. In dieser Baracke konnten wir uns in die Lebensumstände hineindenken, mit denen die Häftlinge fertig werden mussten. In den Betten haben teilweise drei und mehr Personen nebeneinander geschlafen. Aber so richtig nachfühlen kann man nicht, was diese Menschen an Grausamkeiten haben erdulden müssen.
– Wir besuchten weitere Baracken, in denen die originalen Habseligkeiten der Häftlinge, die ihnen von den Nazis weggenommen wurden, ausgestellt wurden. Das waren nur die Gegenstände, die am Tage der Befreiung gefunden wurden und das war schon so unglaublich viel. So waren in einer Baracke die Koffer ausgestellt, fein säuberlich mit Namen und Adresse der Häftlinge versehen, weil sie dachten, sie kämen wieder nach Hause. In einer anderen Baracke waren die Haare zu sehen, ein riesiger Berg Haare, die den Häftlingen abrasiert wurden. Dann gab es einen riesigen Raum, in dem die Brillen aufbewahrt wurden, in einem weiteren die Schuhe. Besonders berührt hat uns auch der Raum, in dem die Kinderschuhe ausgestellt wurden. All diese Räume waren sehr bedrückend.

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Den Häftlingen abgenommene Brillen

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Von den Häftlingen mitgebrachtes Geschirr

– Es gab in Auschwitz aber trotzdem kleine Zeichen von Menschlichkeit. So gab es das Beispiel eines christlichen Pastors, Pfarrer Kolbe, der sich als Freiwilliger meldete, um an der Stelle eines anderen zum Hungertod in der Stehkammer verurteilten Häftlings, dessen Strafe anzutreten. Dieses Martyrium dauerte zehn Tage, dann wurde der Pfarrer Kolbe mit einer Phenolspritze getötet. Der Familienvater aber hat tatsächlich Auschwitz überlebt. Pfarrer Kolbe war jedoch nur eines der mehr als eine Million zählenden Opfer von Auschwitz, das im „Buch der Namen“ zu finden ist.
– Jedes Land, das eine Vielzahl an Opfern nationalsozialistischer Gewalt zu beklagen hat, hat im Stammlager eine eigene Ausstellung, die dieses Land selber gestalten kann. Das Buch der Namen befindet sich in der von Israel gestalteten Länderausstellung. Israel will damit den vielen Opfern wieder eine Identität zurückgeben. Von den 6 Mio. jüdischen Opfern während der nationalsozialistischen Diktatur sind 4 Mio. Namen bekannt.

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Hier die Familie Szepesi.

Eva Szepesi hat Auschwitz überlebt und uns am Holocaust-Gedenktag 2020 am OGT besucht und von ihrem fürchterlichen Martyrium in Auschwitz berichtet.

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Hier die Familie Mecklenburg aus Lübeck, deren Kindern Hanna und Hermann wir in Auschwitz gedenken wollen.

– Am Ende unseres langen Tages im Stammlager haben wir das einzig erhaltene Krematorium mit Gaskammer im Stammlager (also in Auschwitz I) besichtigt. Uns ist vor allem die Tatsache emotional sehr nahe gegangen, dass Frauen bei der Selektion nach der Ankunft nicht von ihren Kindern loslassen wollten und dann lieber den Gang in die Gaskammer gewählt haben, als ihr Kind allein zu lassen und so zusammen mit ihren Kindern in der Gaskammer getötet worden sind. Auch Frauen, die Fremde und allein gelassene Kinder an sich genommen haben, haben uns sehr berührt. Es zeigt, wie sehr eine Mutter ihr Kind liebt.

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Die wieder rekonstruierte Gaskammer im Stammlager Auschwitz I

Zum Schluss des Tages hatten wir noch eine gemeinsame Reflexionsrunde in der Bibliothek der Jugendbegegnungsstätte, bei der wir das Gesehene und Gehörte gemeinsam verarbeitet haben. Diese abendlichen Reflexionsrunden fanden wir alle sehr hilfreich, weil wir unsere Gedanken miteinander teilen konnten.

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Fortsetzung folgt…

Robert Jahr, Q1c