Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz und Erinnerungsprojekt für die Lübecker jüdischen Geschwister Hanna und Hermann Mecklenburg.
Ein Kooperationsprojekt des Ostsee-Gymnasiums Timmendorfer Strand und der Cesar-Klein-Schule Ratekau.
Tag 6 Sonntag, 19.09.2021
Roland berichtete, dass dies die Überreste des sog. Weißen Hauses seien, benannt nach der ehemaligen Außenfarbe des Hauses. Das Weiße Haus wie auch das Rote Haus waren früher alte Bauernhäuser, die 1942 zu provisorischen Gaskammern umfunktioniert wurden. Die Häuser wurden luftdicht isoliert, sodass die Nazis hier Tausende jüdischer Menschen mit Zyklon B vergasen konnten. Die Menschen mussten sich draußen ausziehen und wurden dann zu mehreren Hunderten in die Gaskammer getrieben. Ein Sonderkommando, was aus Häftlingen bestand, musste die Toten auf die Wiese tragen. Dort wurden ihnen noch die Goldzähne herausgebrochen, sie wurden dann verbrannt und in einem riesigen Massengrab verscharrt. Genau hier wurden auch die Lübecker Geschwister Hanna und Hermann Mecklenburg ermordet. Wir waren alle sehr berührt und sehr in uns gekehrt, weil wir uns im Vorfeld zu dieser Fahrt sehr intensiv mit einigen Lübecker Familien beschäftigt hatten, besonders auch mit dem Geschwisterpaar Mecklenburg.
Lucja Nara hat dann einen Brief an Peter Mansbacher, den sie im Vorfeld der Fahrt aus der Perspektive eines Freundes geschrieben hatte, verlesen. LeAnn hat ihren Brief an Margot Prenski vorgelesen. Christoph hat ein paar Worte an die Geschwister Hanna und Hermann Mecklenburg gerichtet. Mira hat dann einen Bericht eines Augenzeugen der Vergasungen vorgetragen.
Wir haben dann alle eine rote Rose an den Gedenksteinen am Weißen Haus niedergelegt, und dabei an die vielen Ermordeten an diesem Ort gedacht. Die Stimmung nach dem Gedenken war bei uns allen sehr bedrückt.
Nach dem Gedenken sind wir zu dem großen Denkmal auf dem Gelände von Birkenau gegangen. Das Denkmal wurde in den 60er Jahren dort errichtet, wo die beiden größten Gaskammern gestanden hatten. Von den Gaskammern sind nur noch Ruinen übrig, denn die Gaskammern wurden von der SS kurz bevor die Rote Armee Auschwitz befreit hat, gesprengt. Man wollte Beweise vernichten. Das Denkmal besteht aus mehreren Schrifttafeln in Bronze – auf jeder Tafel steht die gleiche Inschrift, aber in vielen verschiedenen Sprachen. Jede Sprache repräsentiert das Land ggf. die Länder, die viele Holocausttote zu beklagen hatten. Das Denkmal dort ist riesig. Auch dort lagen frische Schnittblumen auf den Bronzetafeln.
Danach sind wir über das Gelände gegangen zu der sogenannten ,,Sauna”. In der „Sauna“ vollzog sich die Aufnahme der neuen Häftlinge.
Hier durchliefen die Häftlinge verschiedene Stationen, wo sie registriert, geduscht, rasiert, desinfiziert und mit der Häftlingskleidung versehen wurden. Im letzten Raum war eine riesige Fotowand. Zu sehen waren viele Einzel- und Familienfotos aus den Beständen der Häftlinge, die ihnen hier abgenommen wurden. Die Fotos zeigten den früheren Alltag der jüdischen Familien, Fotos von Kleinkindern, Kindern beim Spielen, Hochzeitsfotos, Fotos vom Urlaub, Fotos von der Einschulung, von Familienfeiern – Fotos von Menschen unterschiedlicher gesellschaftlicher Schichten. Alle diese Menschen, die diese Fotos mitgebracht hatten, wurden hier getötet.
Wir alle kennen die gigantischen Zahlen der ermordeten Menschen. Diese Fotos auf diesen riesigen Stellwänden zeigten, dass alle diese Menschen, die hier gelandet waren, Familien hatten, ein Leben hatten, uns wurde noch einmal bewusst, dass jeder Ermordete eine individuelle Geschichte hatte.
Einzelnen von uns standen Tränen in den Augen. Ein sehr bewegender Ort, der lange auf uns nachwirkte.
Roland führte uns dann noch zu den Krematorien II + III, die von den Nazis bei ihrer Flucht ebenfalls gesprengt wurden, und erklärte die einzelnen Funktionsabschnitte, die wir in der Nachbildung im Museum des Stammlagers gesehen hatten. In der Wirklichkeit waren die Dimensionen gewaltig, die Ruinen stehen noch so, wie sie die Rote Armee am 27. Januar 1945 vorgefunden hat.
Bei den Krematorien IV + V berichtete Roland von der letzten großen Vernichtungsaktion im Sommer 1944, in der über 300 000 jüdische Ungarn ermordet wurden. Am 7. Oktober 1944 gab es einen bewaffneten Aufstand des Sonderkommandos, das Krematorium IV wurde dabei teilweise zerstört. Die SS schlug den Aufstand nieder und hat über 400 Beteiligte anschließend ermordet.
Auf verschlungenen Wegen kehrten wir zurück zu unserem Bus.
Nach dem Mittagsessen in der Begegnungsstätte in Oswiecim räumten wir unsere Zimmer und fuhren mit dem Bus zur Franziskanerkirche der Unbefleckten Mutter Gottes in Harmeze. Dort im Kellergewölbe gab es eine riesige Ausstellung des Auschwitzüberlebenden Marian Kolodziej, der die Häftlingsnummer 432 trug. Er arbeitete in den verschiedensten Einheiten: Abbruchkommando, Kiesgrubenkommando, Straßenkommando, Industriehof II-Bauhof. Nach dem Krieg studierte er Kunst und hat als Bühnenbildner gearbeitet. Erst 50 Jahre nach Kriegsende war er in der Lage über das Erlebte in Auschwitz zu sprechen. Er verarbeitete das Grauen, in dem er das Erlebte zeichnete. Es entstand die Ausstellung „Klischees der Erinnerung. Labyrinthe“, ein unglaubliches Werk von Bleistiftzeichnungen. Wir wurden von einem Franziskanermönch durch das riesige Kellergewölbe geführt. Es waren so viele Zeichnungen dort ausgestellt, dass jeder freie Raum an den Wänden belegt war. Teilweise waren die Bilder riesig, voller Details, erschütternd und auch diese Bilder haben uns alle sehr sehr nachdenklich gestimmt.
Fortsetzung folgt…
Jette Flebbe und Cecil Sailer, 11. Jg.