Brief an Frieda Bär von Lisanne Marie Schulze
Lisanne Marie Schulze
Liebe Frieda Bär,
wir reisen als Gruppe nach Auschwitz, um uns mit der Vergangenheit zu beschäftigen, in der im Namen eines deutschen Staates unerträgliche Gräueltaten verübt wurden.
Wir wollen versuchen, diedeutsche Geschichte nicht nur theoretisch zu verstehen, indem wir Geschichtsbücher lesen und uns Dokumentationen ansehen
– sondern wir möchten mehr wahrnehmen als das.
en und den Ihrigen angetan hat:
Uns und der ganzen Welt sind nicht nur Ihre Gedanken und Ihr Wissen verloren gegangen – sondern es sind uns auch Ihre Freude und Ihr Lachen verloren gegangen.
Es gibt so viel mehr, das mit Ihnen einfach verschwunden ist, ohne dass es dafür einen Trost oder überhaupt nur annäherungsweise einen Ersatz geben könnte.
Während ich mich mit unserer Vergangenheit auseinandersetze, merke ich, dass
die Schuld, die unsere Vorfahren, deutsche Vorfahren, auf sich geladen haben, niemals gelöscht werden kann.
Die Verbrechen, die an Ihnen und den Ihrigen begangen wurden, können mit nichts relativiert oder gar entschuldigt werden. Diese Schuld wird immer da sein. Und sie muss auch immer da bleiben, um uns alle, alle Menschen auf der ganzen Welt, daran zu erinnern, dass sich diese Geschichte, der Holocaust, niemals wiederholen darf.
Es gibt nichts, das wir Spätgeborenen für Sie und Ihre getöteten Familienmitglieder, Ihre Freundinnen, Ihre Freunde und Bekannte heute noch tun können. Heute können wir nichts mehr für Sie tun- wir können uns nur an Sie erinnern.
Meine Familie und ich möchten von nun an jedes Jahr an Ihrem Deportationstag
nach Auschwitz, der gleichzeitig Ihr Todestag ist, dem 29. Januar, eine Kerze entzünden- diesen Tag werden wir nicht vergessen.
Wir können nur versprechen, dass wir versuchen werden, über all das Leid, das Sie ertragen mussten, und all die geschehenen Grausamkeiten, die Ihnen und Millionen von anderen Menschen widerfahren sind, der Nachwelt zu berichten. Wir können nur versprechen, dass wir alles in unserer Macht stehende tun werden, um jetzt und in Zukunft Unrecht aufzudecken, unsere Mitmenschen darauf hinzuweisen und uns dagegen stark zu machen.
Dies alles kann Ihnen nicht mehr helfen.
Aber möglicherweise- ganz ganz vielleicht – kann es eines Tages dazu beitragen, dass einige wenige Menschen vor einem ähnlichen Schicksal wie dem Ihrigen bewahrt werden können.
Nur das allein können wir tun.
Ihre Lisanne Marie Schulze