Liv G
Liv G. , E-Jahrgang, OGT

Auf meiner Fahrt nach Auschwitz habe ich viele verschiedene Orte und Situationen fotografiert.

Wieder zu Hause realisierte ich beim Durchstöbern meiner Galerie, dass ich besonders viele Fotos von der Ausstellung von Marian Kotodeziej gemacht hatte.

Der ehemalige Häftling mit der Nummer 432 überlebte das Grauen von Auschwitz und verarbeitete nach langem Schweigen sein Trauma mithilfe seiner Bilder.

Insgesamt übergab er über 260 Zeichnungen an ein Kloster in Harmeze, um sie mit seinen Mitmenschen zu teilen.

Was mich sehr beeindruckte, war die Größe und die Masse der Zeichnungen, die den Besucher von allen Seiten umgaben. Ich fühlte mich hilflos, ausgeliefert und eingeengt.

Egal, wohin der Blick fiel, erblickte ich Schrecken, Angst und Grauen.

Am meisten berührte mich jedoch das Bild der vielen Gesichter, welches oben abgebildet ist.

Man sieht Unmengen an Gesichter verschiedener Personen in unterschiedlichen Größen. Jedes Gesicht ist individuell und dennoch erscheinen alle gleich.

Die Farben lassen das Bild grau, kalt und leblos aussehen. Die Köpfe wirken wie skelettierte Schädel und dennoch sieht man in jedem der einzelnen Augenpaare einen kleinen Lebensschimmer.

Die Augen sind mir eindrücklich in Erinnerung geblieben.

Das Bild erweckt bei mir den Eindruck, als würden mir die unzähligen gequälten Menschen direkt in die Seele schauen. Sie drücken das Leid und den Schmerz der Opfer aus und dennoch zeigen sie, dass es lebendige Menschen sind, so wie du und ich.

Beim weiteren Betrachten fällt mir auf, dass die einzelnen Gesichter massenhaft übereinander geklebt wurden. Das interpretiere ich mit der unvorstellbaren Anzahl ermordeter Menschen in den Lagern. Ein Mensch kam hinzu, ein anderer verschwand dahinter. Der Lebensschimmer in den Augen erlosch damit. Dieses Arrangement erweckt eine Tiefe, welche den Wahnsinn der massenhaften Ermordung unterstreicht.

Mich berührte die Ausstellung sehr, da ich meine Gefühle ebenfalls durch Zeichnen ausdrücke. Bilder sagen manchmal mehr als Worte.