Zeitzeugenbesuch am OGT – Herr Hans Funk besucht das OGT am 03.07.2023

"Wir sind 80 Jahre auseinander"

Mit diesen Worten wurden wir, die Klasse 9a, von Herrn Funk am 03.07.2023 in der Aula unserer Schule gegrüßt. Frau Pistorius, eine Mutter von ehemaligen Schülern unserer Schule, hatte den Kontakt zum OGT hergestellt und hat Herrn Funk zu uns begleitet.

Heute ist Herr Funk 95 Jahre alt und wir sind 15. Herr Funk begann seine Lebensgeschichte damit, dass er uns erzählte, dass er als uneheliches Kind in einem Heim aufgewachsen ist. Damals war es eine große Schande unehelich geboren zu werden. Herr Funk hatte aber Glück, denn eine Pflegefamilie nahm ihn auf. Und die Pflegefamilie war sehr gut zu ihm. Mit 10 Jahren – 1938 – kam er zu den sog. Pimpfen, dies war die Vorstufe zur Hitlerjugend, deren Mitglied er dann mit 14 Jahren wurde. Herr Funk berichtete, wie die Kinder an den Waffen für den Krieg ausgebildet wurden. Im Herbst des Jahres 1944 musste Herr Funk als 16jähriger noch an die Front. Das hat uns sehr geschockt, wir sind heute nur ein Jahr jünger als er damals war. Eigentlich sollte er zur Wehrmacht in den Osten nach Polen, aber da Polen bereits von den Alliierten befreit wurde, wurde Herr Funk zur Waffen-SS abkommandiert. Wir waren erschrocken als wir das Wort SS hörten. Herr Funk erklärte, dass seine Einheit an der Front in Österreich gekämpft hat. Die Rote Armee war immer weiter auf dem Vormarsch und so wurden alle verfügbaren Einheiten an der Front eingesetzt. Er erklärte, dass spezielle Einheiten der SS in den KZs eingesetzt wurden, die sogenannten Totenkopfverbände. Seine Einheit hat an der Front gekämpft. Unsere Klasse die Frage: "Hatten Sie Angst, als Sie hörten, Sie gehen in den Krieg?" Herr Funk musste nicht lange überlegen, er antwortete mit: "Nein, ich hatte keine Angst. Wir wussten, dass wir irgendwann als sog. Kanonenfutter in den Krieg gehen müssen." Nach dieser Antwort ging jeder kurz seinen eigenen Gedanken nach, bis Herr Funk weiter zu sprechen begann.

Er kam dann in amerikanische Gefangenschaft und wurde als erstes in das KZ-Mauthausen gebracht. Dort mussten die Kriegsgefangenen die vielen Leichen beerdigen. Die Rote Armee führte auch Bürger aus den umliegenden Dörfern in das KZ – die Leute sollten sehen, was während des Krieges geschehen war. Herr Funk berichtete davon, dass er total geschockt war, als er das KZ von innen gesehen hat. Er berichtete von den schrecklichen Bildern, welche er bis heute nicht vergessen kann. Danach war Herr Funk noch weitere 13 Monate in Kriegsgefangenschaft bei den Alliierten in Österreich. Seine Aufgabe als Gefangener war es, als Koch die anderen Kriegsgefangenen mit Essen zu versorgen.

Am Ende durfte unsere Klasse noch Fragen zu Erlebnissen, Gefühlen oder auch dem Vergleich mit heute stellen.
Es kamen Fragen, wie sein Alltag in der Zeit als Soldat oder auch die Behandlung nach dem Krieg auf. Besonders die Frage, ob Herr Funk oder seine Kameraden sich gegen die Nazis aussprachen interessierte uns. Herr Funk berichtete auch davon, dass man untereinander nicht viel gesprochen hat, es herrschte ein Klima der Angst. Angst davor, etwas Falsches zu sagen. So musste er als sehr junger Mensch mit seinen Gefühlen ganz alleine klarkommen – vielleicht hat ihm seine Zeit im Pflegeheim dabei geholfen, allein klar zu kommen.
Immer mal wieder rollten Tränen über seine Wangen, wir merkten, dass auch nach so vielen Jahren seine Erlebnisse als so junger Mensch sehr tief saßen.
Herr Funk wurde dann gefragt: "Bereuen Sie irgendetwas aus dem Krieg?", da sagte er, dass er diese gesamte Zeit verachte, und wirklich verarbeiten konnte er diese Geschehnisse bis heute nicht.
Die Doppelstunde ging so schnell vorbei, die Klassensprecher überreichten ihm ein kleines Geschenk als Dank für seinen Besuch und für seine Offenheit. Herr Funk freute sich sehr darüber und somit endete der Tag damit, dass wir alle ein Lächeln im Gesicht hatten.
Anna Virus, Klasse 9a

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